An einer seiner nächsten Sitzungen wird der Kantonsrat die Motion Dalcher «Wir brauchen ein zukunftsgerichtetes Denkmalschutzgesetz» (KR-Nr. 153/2020) behandeln. Die Motion strebt einen Abbau des Denkmalschutzes für den Kanton Zürich an. Sie enthält Forderungen, die mit dem Bundesrecht oder internationalen Übereinkommen nicht vereinbar sind und vor Bundesgericht nicht standhalten können. Andere Begehren entsprechen der bereits bestehenden Praxis oder sind nicht praktikabel und ineffizient.
1. Ein minimalistischer Denkmalschutz verstösst gegen Bundesrecht
Die Motionäre berufen sich auf das Zuger Denkmalschutzgesetz. Das Bundesgericht hat mit seinem Entscheid vom 1. April 2021 (1C_43/2020) dieses Gesetz jedoch teilweise aufgehoben und in anderen wichtigen Teilen als irrelevant taxiert. Die Motion übernimmt etwa exakt die vom Bundesgericht beanstandete Formulierung des Zuger Gesetzes, wonach ein schützenwertes Objekt einen «äusserst hohen» wissenschaftlichen, kulturellen oder heimatkundlichen Wert in zwei Punkten kumulativ aufweisen müsse. Das Bundesgericht qualifizierte diese Bestimmung für faktisch bedeutungslos. Es stellte fest, dass «ein kulturell oder heimatkundlich interessantes Objekt zwangsläufig auch von wissenschaftlichem beziehungsweise ein heimatkundliches (Objekt) von kulturellem Interesse ist und umgekehrt». Das Gericht hielt fest, dass die Kumulation ins Leere stösst. Und das Erfordernis eines «äusserst hohen» Werts müsste laut Bundesgericht wie bisher entsprechend dem geltenden Bundes- und Konventionsrecht (Granada-Abkommen) ausgelegt werden.
Das Bundesgericht führte ferner aus, dass die Kantone den Denkmalschutz nicht minimalistisch ausgestalten dürfen. Damit verstossen sie gegen Bundesrecht und namentlich gegen internationale Übereinkommen (Granada-Abkommen zum Schutz des baugeschichtlichen Erbes in Europa).
Ein künftiges Zürcher Gesetz im Geiste der Motion hätte vor Bundesgericht kaum Bestand.
2. Unnötiger bürokratischer Leerlauf mit einem vorgelagerten Verfahren im Rahmen der Inventaraufnahme
Einen bürokratischen Leerlauf strebt die Motion mit der Forderung nach Anhörung der betroffenen Eigentümer bereits im Moment einer Inventar-Aufnahme eines schützenswerten Objekts an. Abgesehen davon, dass bei einer solchen Regelung auch weitere Betroffene wie bspw. der Heimatschutz anzuhören wären. Bereits nach geltendem Recht erfolgt eine Anhörung, wenn ein Objekt definitiv unter Schutz gestellt oder aus dem Inventar entlassen werden soll. Ein vorgelagertes Verfahren schon bei der Inventaraufnahme ist nicht zielführend und führt zu unnötigen Doppelspurigkeiten für die betroffenen Eigentümer sowie die Verwaltungen der Gemeinden und/oder des Kantons.
3. Andere Forderungen sind bereits gängige Praxis
Die Forderung der Motion, wonach Unterschutzstellungen durch Vertrag erfolgen sollen, ist bereits gängige Praxis. Ebenso ist die geforderte Möglichkeit zur Anpassung geschützter Objekte an moderne Wohnbedürfnisse schon heute so gut wie immer erfüllt. Der Schutz erstreckt sich bei den allermeisten Schutzobjekten allein auf das äussere Erscheinungsbild und nur beschränkt auf innere Bauteile. Auch moderne Photovoltaik-Anlagen sind unter bestimmten Rücksichtnahmen möglich.
Für die Entlassung von Schutzobjekten aus dem Schutz oder für Anpassungen des Schutzumfanges - beides erfolgt schon heute - sind zumeist die Gemeinderäte und ausnahmsweise die kantonale Baudirektion zuständig. Mit der Forderung, den Regierungsrat gesetzlich für zuständig zu erklären, scheint die Motion darauf abzuzielen, die bestehende Kontrolle durch die Gerichte auszuschalten, was im Widerspruch zum Granada-Übereinkommen stehen und vom Bundesgericht voraussichtlich nicht geschützt würde.
4. Beteiligung an Restaurierungskosten ist sinnvoll, kann aber nicht über die Gemeinden hinweg beschlossen werden
Schliesslich ist das Begehren nach einer gewissen Beteiligung von Kanton und Gemeinden an den Restaurierungskosten durchaus erwünscht. Dabei richtet der Kanton bei kantonalen Schutzobjekten heute durchaus Beiträge aus. Bei den kommunalen Objekten, welche die grosse Mehrheit ausmachen, liegt dies in der Verantwortung der Gemeinden. Die meisten Gemeinden leisten aber keine Beiträge. Eine Änderung dürfte der Kantonsrat indessen kaum über die Gemeinden hinweg beschliessen.
Eine Überweisung der Motion als Postulat ermöglichte, das System der finanziellen Beihilfen zu überdenken und nach einer differenzierten Lösung zu suchen.
Insgesamt ist die Stossrichtung der Motion irritierend. Noch nie in der Geschichte wurde so viel Bausubstanz abgebrochen wie heute, kaum je war die Baukultur mehr gefährdet als jetzt. Dieser Prozess sollte nicht noch künstlich angeheizt werden.