Die beiden Gebäude mit den Hausinschriften «Zum Mohrentanz» und «Zum Mohrenkopf» in der Zürcher Altstadt an der Niederdorfstrasse 29 und am Neumarkt 13 sind im kommunalen Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte aufgeführt. Obwohl bislang keine eingehenden Abklärungen über die Schutzwürdigkeit der Inschriften für die Fassaden und den Schutzumfang der Gebäude durch ausgewiesene Fachpersonen vorliegen, befand das Zürcher Verwaltungsgericht es für zulässig, wenn die beiden Hausinschriften künftig abgedeckt würden. Es konnte entgegen dem Baurekursgericht darin keine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Gebäudefassaden erkennen. Allerdings beurteilte dies eine Minderheit des Gerichts anders und verfasste eine ausführliche abweichende Meinung. Das Baurekursgericht hatte als erste Instanz die Erhaltung der beiden Inschriften angeordnet (BRGE I Nr. 0057/2023).
Der Zürcher Heimatschutz (ZVH) unter Leitung des Stadtzürcher Heimatschutzes (SZH) hat sich entschieden, gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts an das Bundesgericht zu gelangen, und hat eine Beschwerde eingereicht. Der ZVH und der SZH sind überzeugt, dass eine Abdeckung der Schriftzüge, auch wenn sie reversibel sein soll, den Anliegen des Denkmalschutzes nicht gerecht wird. Die Inschriften der in einem Fall bereits im 15. Jahrhundert erwähnten Hausnamen sind Zeitzeugen der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte unserer Stadt. Die Unterschutzstellung und Erhaltung von solchen Zeitzeugen - und dazu zählen auch Inschriften als Hinweise auf vergangene Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen - ist gerade eine Aufgabe des Denkmal- und Heimatschutzes.
Eine Kontextualisierung mit einer statt der Abdeckung an den Gebäuden anzubringenden erklärenden Tafel, die auf die Geschichte und den Hintergrund der Namensgebungen hinweist und gleichzeitig zu rassistischem Gedankengut auf Distanz geht, kann sowohl dem kulturhistorischen Charakter der Schriftzüge als auch der rassistischen Konnotation des Begriffs «Mohr» Rechnung tragen. Ähnlich ist man übrigens mit einem drastisch antisemitischen Wandrelief an der Stadtkirche von Wittenberg in Sachsen-Anhalt mit dem Segen des deutschen Bundesgerichtshofes verfahren.
Eine, wie erforderlich, eingehende Schutzabklärung der beiden Stadtzürcher Gebäude mit den «inkriminierten» Inschriften ist bisher nie erfolgt. Ebenso fehlen gründliche Abklärungen zur denkmalpflegerischen Bedeutung der Inschriften sowie eine sorgfältige Abwägung der sich gegenüberstehenden öffentlichen Interessen – denkmalpflegerische Bedeutung der Schriftzüge versus Beseitigung rassistisch belasteter Ausdrücke. Beides ist bis heute ausstehend. Es liegt bisher kein förmlicher denkmalpflegerischer Schutzentscheid vor. Die Stadt hatte lediglich die Inventarblätter zu den Gebäuden ergänzt und darin festgehalten, dass es sich bei einer Abdeckung der Schriftzüge um bloss untergeordnete Eingriffe in die schutzwürdige Substanz handle. Darauf gestützt wurde die baurechtliche Bewilligung für die Abdeckung erteilt.
Die zuständige Behörde der Stadt Zürich hat somit weder die erforderlichen Abklärungen und Interessenabwägungen vorgenommen noch kann der Entscheid des Verwaltungsgerichts als Ersatz für die fehlenden Abklärungen beziehungsweise den fehlenden Schutzentscheid gelten. Indem das Verwaltungsgericht bei seiner Gutheissung der Beschwerde der Stadt unbesehen auf die ungenügenden Grundlagen der Stadt abstellte, hat es formelle Rechtsvorschriften missachtet. Es ist ihm eine formelle Rechtsverweigerung vorzuwerfen.
Mit seinem Vorgehen verletzte das Verwaltungsgericht überdies den Anspruch darauf, dass das letztinstanzlich urteilende Gericht innerhalb des Kantons eine vollumfängliche Prüfung der Rechtsfragen vorzunehmen hat und keine wesentlichen Punkte wie die Abwägung der Interessen
ausser Acht lässt oder gar willkürlich auf die erforderliche Klärung verzichtet. In einer solchen Missachtung liegt eine Verletzung der verfassungsrechtlich garantierten Rechtsweggarantie. Die Verletzung der erwähnten Verfassungsgarantien kann der Zürcher Heimatschutz (ZVH) als auf kantonaler Ebene beschwerdeberechtigte Organisation auch vor Bundesgericht rügen.
Evelyne Noth, Präsidentin Stadtzürcher Heimatschutz (SZH), Vorstandsmitglied Zürcher Heimatschutz (ZVH)
T 043 233 00 22, kontakt(at)heimatschutzstadtzh.ch